Streit um Elbtalbrücke - Geld aus Berlin nur umgewidmet

Frankfurter Rundschau vom 5. Juli 2008

Dresden. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat finanzielle Hilfe für einen möglichen Elbtunnel statt der umstrittenen Waldschlößchenbrücke in Dresden signalisiert. "Es gibt vom Bund aus unserem Ministerium ein Angebot an Sachsen, sich zur Erhaltung des Welterbes an der Finanzierung einer Untertunnelung zu beteiligen", sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin.

Dies sei unter anderem aus Mitteln für städtebauliche Denkmalförderung oder allgemeine Städtebauförderung möglich. Sachsen habe darauf bisher nicht reagiert.

Sachsens Regierungssprecher Peter Zimmermann wies die Darstellung als "populistisch und peinlich" zurück. "Der Bundesminister versucht die Öffentlichkeit irrezuführen", sagte er. "Es handelt sich dabei nicht um zusätzliches Geld."

Die in Aussicht gestellten Fördermittel stünden Sachsen ohnehin zu und seien verplant. Das Angebot Tiefensees laufe darauf hinaus, dass dieses Geld von anderen Projekten abgezogen und zugunsten des Tunnelbaus umgewidmet werden müsse.

Unabhängig davon wisse Tiefensee, dass eine andere Lösung als der Bau der Brücke aus technischen und juristischen Gründen völlig unrealistisch sei.

Eine Brücke spaltet Dresden

"Sehen Sie doch", sagt die Frau auf der Johannstädter Seite der Elbe. Sie ist mit ihrem Dalmatiner auf den Elbwiesen mitten in Dresden unterwegs. Es regnet leise. Gegenüber der Uniklinik ist die Wiese eine große Baustelle, von hohen Zäunen umgeben. Straßen werden hier verlegt. Auf der gegenüberliegenden Seite der Elbe, dem Neustädter Ufer, fahren Laster hin und her. Auch dort eine Riesenbaustelle. Die mächtigen Fundamente einer Brücke ragen aus der Erde. "Natürlich habe ich im Radio gehört, was in Québec entschieden wurde", sagt sie. "Aber, sehen Sie doch: Schert doch keinen."

Donnerstagnacht hat die Unesco im kanadischen Québec entschieden, der Stadt Dresden noch ein Jahr Gnadenfrist zu geben. Sollte sie die Arbeiten an der Brücke nicht einstellen, die Fundamente und andere Bauten nicht abreißen, dann, ja dann würde sie die Stadt 2009 aus der Welterbeliste streichen.

Vermutlich ist das der vorletzte Akt in einer seltsam verbissenen Geschichte, wie sie verfahrener nicht sein kann. Um die "Waldschlösschenbrücke" in Dresden tobt seit Jahren ein Krieg, wie er derart nirgendwo geführt werden dürfte. Im so selbstverliebten wie selbstbewussten Dresden wundert es keinen.

Schon vor hundert Jahren gab es Pläne, an jener Stelle eine Brücke zu bauen. Erst 1994 wurde die Angelegenheit konkret, 2000 tat jemand den ersten Spatenstich, 2003 stellte die Stadt den Antrag, mit dem Elbtal ins Weltkulturerbe aufgenommen zu werden. Die geplante Brücke wurde darin kurz und an falscher Stelle erwähnt.

Damit war alles angerührt für einen Krach, der niemals ein gutes Ende finden sollte: Die Unesco nahm Dresden 2004 auf und 2005 stimmten 67 Prozent der Elbstädter in einem Bürgerentscheid dafür, die gigantische Brücke durchs Welterbe zu bauen. Danach wurden alle wach: Meine Güte, vierspurig? 635 Meter lang? In Sichtweite der historischen Altstadt? Die Unesco, in deren Karten die Brücke einige Kilometer entfernt eingezeichnet war, hob sofort drohend den Finger und setzte Dresden auf die Rote Liste gefährdeter Stätten. Dresden setzte den Bau aus, es gab unzählige Streitereien vor Gerichten. Doch alles endete vorm Bundesverfassungsgericht. Und das lehnte Beschwerden gegen den Bau ab: Volkes Mehrheitswille sei zu achten.

Auch die berühmte Kleine Hufeisennase, eine winzige Fledermaus, konnte die Brücke nicht stoppen. Das Tierchen, angeblich im Luftraum über der Baustelle unterwegs, erreichte mit Hilfe von Umweltaktivisten vor dem Verwaltungsgericht einen Baustopp. Die nächste Instanz hob ihn auf.

Die Stadt ist seitdem gespalten: Linke, Grüne, SPD, Bewohner der betroffenen Stadtteile waren mehrheitlich gegen die Brücke, weil sie hässlich sei und nicht gebraucht werde. Die Autopendler aus den entfernteren Stadtteilen, die Wirtschaft, die Regierung, der ADAC, CDU und FDP waren stets dafür. Doch während noch der Krieg der Worte tobte, waren die Bagger längst am Werke. Seit dem 19. November 2007 wird auf beiden Ufern gebaut und es sieht nicht so aus, als würde noch irgendwer die Brücke stoppen.

In Dresden hält man die Forderung der Unesco für blauäugig. "Kaum realistische Chancen" räumt Oberbürgermeister Lutz Vogel einem Stopp ein. Die CDU-geführte Landesregierung wollte immer die Brücke, Helma Orosz, die von August an CDU-Oberbürgermeisterin von Dresden sein wird, ebenso. Sie sagte am Freitag: "Diese Brücke beeinträchtigt das Welterbe Dresdner Elbtal nicht."

In der CDU, die sich nie für Alternativen wie einen Tunnel interessierte, hält man sich an Kurt Biedenkopf, dessen Dresdner Zuhause selbst von der Kleinen Hufeisennase umschwirrt wird. "Die Touristen kommen sowieso", hatte der frühere Ministerpräsident immer gesagt. Und wenn die Brücke einmal fertig sei, werde man sich schnell an sie gewöhnen.

Von Bernhard Honnigfort

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