Denkmalschutz kann ja so mühsam sein

Stuttgarter Zeitung vom 8. Juli 2006

Die Unesco-Experten versammeln sich wieder zur Welterbe-Konferenz, und die Deutschen zittern

Bleibt Köln auf der Schandliste? Sieht Dresden die rote Karte? Wird Regensburg endlich ausgezeichnet? Das sind aus deutscher Sicht die drei spannendsten Fragen, die sich in der kommenden Woche auf der Welterbe-Jahrestagung der Unesco entscheiden werden. Von Sonntag an kommen 600 Denkmalschutzexperten aus aller Welt in der litauischen Hauptstadt Vilnius zusammen.

Schon seit 1996 trägt der Kölner Dom den Titel "Weltkulturerbe". Das ist schön. Weniger schön, vielmehr ziemlich peinlich ist, dass die Unesco den Dom 2004 auf die so genannte Rote Liste bedrohter Bauwerke setzte. Der Anlass waren ambitionierte Pläne des Kölner Oberbürgermeisters, am Rheinufer Hochhäuser zu bauen, die nach Meinung der Denkmalschützer den freien Blick auf die zwei imposanten Domtürme verstellt hätten. Zunächst herrschte in Köln große Empörung über die unerwartete Einmischung der Kulturorganisation der Vereinten Nationen. Inzwischen sind, oh Wunder, alle Baupläne einvernehmlich überarbeitet. Für die Rheinländer sieht es darum ganz gut aus.

Deutlich schlechtere Karten hat Dresden. Mit viel Schwung drängten sich die Sachsen 2004 mit dem Elbtal auf die Welterbeliste, um den schmucken Titel künftig in der Tourismuswerbung einsetzen zu können. Nun kommt den PR-Büros aber ein schon seit vielen Jahren geplanter Brückenbau in die Quere, der nach Meinung vieler Fachleute den einzigartigen Blick auf das Elbflorenz zerstören wird. Pech für die Dresdner: zahlreiche Unesco-Delegierte sind inzwischen derart genervt von der Haltung deutscher Politiker, das Welterbesignet allein aus Werbegründen ernst zu nehmen, dass die Dresdner in Vilnius womöglich gar nicht erst auf die Rote Liste kommen, sondern gleich ganz rausfliegen. Eine sächsische Delegation will das in letzter Minute verhindern.

Und weil Deutschland aus diesen Gründen hinter den Unesco-Kulissen gerade keinen ganz guten Ruf hat, muss auch Regensburg um seine große Stunde noch zittern. Eigentlich ist die Donaustadt mit ihrem hervorragend erhaltenen mittelalterlichen Bautenensemble schon seit Jahren ein sicherer Kandidat für die Welterbeliste. Doch die Unesco möchte ihre Kräfte in den nächsten Jahren stärker auf jene Gegenden dieser Welt konzentrieren, wo Armut und Bürgerkrieg fast jede beschützende Kulturpolitik unmöglich machen. Es wird somit eng für all jene Bürgermeister, die sich nach dem Ruhm der Welterbeliste sehnen. Um dann später verdutzt festzustellen, dass solcher Ruhm im kommunalpolitischen Alltag seinen Preis hat.

Tim Schleider

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